Untersuchung präzisionsbestimmender Faktoren zur Minimierung von Verzug im Kokillen- und Druckgussprozess
Verzug und Heißrisse stellen prominente qualitätsmindernde Bauteilmerkmale in der Gießereitechnik dar. Ursächlich hierfür ist, dass der Erstarrungs- und Abkühlvorgang der meisten technischen Legierungen mit einer Volumenkontraktion verbunden ist. So werden durch diese, in Kombination mit dem von der Form auf das Gussteil aufgebrachten geometrischem Zwang, Spannungen im Gussteil induziert. Diese Spannungen können bereits während des Erstarrungsvorgangs zur Bauteilschädigung durch Heißrissbildung führen. Insbesondere bedingen sie aber Verzug, wenn sie unsymmetrisch oder inhomogen sind. Diese Verzugsproblematik ist für praktisch alle Formgussteile relevant. Besonders stark äußert sich diese Problemstellung im wirtschaftlich hochrelevanten Druckguss, da hier durch den raschen Wärmeentzug ein intrinsischer Spannungsabbau erschwert wird. Zudem können im Druckguss zusätzliche Eigenspannungen auftreten, die aus dem zur Kompensation von Schwindung aufgebrachten Nachdruck herrühren. Weder das erforderliche nachträgliche Richten der Bauteile noch die Beaufschlagung mit Aufmaßen zwecks späterer spanender Bearbeitung sind wirtschaftlich-technisch sinnvolle Korrektive.
Der Entstehung von unerwünschten Heißrissen und Verzug kann prinzipiell bauteilseitig bei der Gussteilauslegung – z. B. über Geometrie - so wie auch im Gießprozess über die Randbedingungen - z. B. Konzeption der Formwergzeuge - oder die Einstellung geeigneter Prozessgrößen - wie beispielsweise die Temperierung - Rechnung getragen werden. Jedoch existieren für diese Ansätze zurzeit nur unzureichende Modelle, Richtlinien oder Maßnahmen, da es das Grundlagenwissen hierfür noch zu erweitern gilt.
Vorangestelltes Ziel des Teilprojektes ist daher die Erhöhung der Fertigungspräzision im Dauerformguss metallischer Gusswerkstoffe. Hierbei steht insbesondere die Verzugs- und Heißrissminimierung im Aluminium-Kokillen- und Druckguss ebenso wie die Schaffung des dafür notwendigen verbesserten Verständnisses der materialwissenschaftlichen Grundlagen im Fokus. Daher ist die systematische Bestimmung der Zusammenhänge von Wärmehaushalt, Gefügeausbildung und Spannungen während und nach der Erstarrung, verbunden mit der Beherrschung des Verzugs und der Heißrissneigung, das übergeordnete Endziel. Hierzu sind prozessrelevante Phänomene sowie deren gekoppelte Wirkungsmechanismen in geeigneter Weise zu analysieren und dadurch bisher nicht vorhandenes Grundwissen zu erarbeiten und in neue effektive Modelle zu übertragen. Aufgrund der Herangehensweise werden auch neue oder bisher nicht genutzte Konzepte zur Vermeidung von Heißrissen und Verzug erwartet. Zur Erreichung dieser Ziele wird im SFB1120 ein dreistufiger Ansatz (Analysieren, Verstehen, Beherrschen) verfolgt. Aus diesem leiten sich wiederum phasenbezogene Teilziele ab.
In der ersten Phase lag der Fokus auf der Analyse der Einflüsse der Eingangsgrößen auf die messbaren Prozessgrößen und abschließend auf dem Bauteilverzug als Zielgröße. Als übergeordnetes Ziel wurde hier der effektive Wärmeübergang zwischen Bauteil und Form untersucht. Dieser wurde seinen einzelnen Einflussgrößen nach aufgeschlüsselt. Ebenso wurde der Einfluss verschiedener Kontaktbedingungen zwischen Form und Bauteil miteinbezogen. Am Ende der ersten Phase standen Erkenntnisse zu den Schlüsselgrößen der Wärmeübergänge und deren Einfluss auf die Ausbildung der Mess-größen. Ebenfalls konnten erste Erkenntnisse zur Verzugsentstehung gesammelt werden.
In der zweiten Phase wurden diese Analysen weiter verfeinert und erste Ansätze zur Beeinflussung des Bauteilverzuges evaluiert. Für den Aluminium-Kokillenguss mit thermisch gut leitenden Metallformen hoher Steifigkeit konnte die Steuerung der Erstarrung durch ortsaufgelöste Einflussnahme auf die Wärmebilanz als eine Maßnahme zur Beeinflussung der oben genannten Schadensmechanismen herausgearbeitet werden. Weiterhin wurde die Einflussnahme auf den Formzwang, durch prädiktive geometrische Kompensation oder prozessimmanent durch den Entformungszeitpunkt, als zielführender Weg identifiziert. Diese Erkenntnisse wurden an gezielt für diese Fragestellungen entwickelten Versuchen im Labormaßstab gewonnen. Zudem wurden die Untersuchungen auf Basis der bis dato gewonnen Erkenntnisse in der zweiten Projektphase um den Forschungsfokus der Heißrissneigung erweitert. So konnte die Rissbildung in-situ beobachtet und mit anschließenden metallographischen Analysen korreliert werden. Mit den erzielten Ergebnissen konnte die Erkenntnislage um die Mechanismen der Heißrissentstehung im Aluminiumguss erheblich erweitert werden.
In der dritten Antragsphase stehen die Beherrschung des Verzugs und der Heißrissneigung und die Übertragung der hierfür erarbeiteten Kompensationsstrategien – beispielsweise thermisch - auf praxisnahe komplexe Gussteile und Prozesse im Vordergrund. Dieser Übertrag führt zu weiteren Randbedingungen, wie der Interaktion der thermischen und geometrischen Beeinflussung, verbunden durch variierende Kontaktbedingungen zwischen Bauteil und Form. Im weiteren Projektverlauf werden die in den ersten Phasen erarbeiteten Erkenntnisse zur Steuerung des thermischen Haushaltes und zur geometrischen Beeinflussung jetzt kombiniert eingesetzt. Ebenfalls werden die in den ersten Phasen entwickelten Versuchs- und Messkonzepte zur Untersuchung des Bauteilverzuges und der Heißrissentstehung weiter eingesetzt und adaptiert. Im nächsten Schritt erfolgt die Übertragung auf praxisnahe Bauteile und Prozesse. Die gezeigte Beeinflussung der o. g. qualitätsmindernden Phänomene wird dabei zu einer Kompensationsmethodik zusammengeführt. Mit den dann erarbeiteten Methoden wird es ermöglicht zum Ende der dritten Phase den Bauteilverzug und die Heißrissneigung im Kokillen- sowie Druckgussprozess quantifizierbar zu steuern und somit zu kompensieren.
Die experimentellen Arbeiten dieses Teilprojektes geschehen dabei über die gesamte Laufzeit im engen Austausch mit den methodisch verwandten oder thematisch ergänzenden Teilprojekten. Beispielsweise wird in dem Bereich der thermischen Beeinflussung im Gießprozess eng mit den im Spitzguss beheimateten Teil-projekten B01 und B03 zusammengearbeitet und in der Analytik mit den Teilprojekten A02 und A06, um hier Synergien in den Expertisen nutzen zu können. Ausrichtung und Versuchsplanung werden überdies mit den simulativen Teilprojekten A13 (N), B07, B09 und B05 abgestimmt, so dass die dort entwickelten Modelle validiert werden können. Die daraus neu gewonnen Erkenntnisse sind für TP B08 nutzbar.
Zu sehen ist o ben die Simulation eines verzogenen Gussteiles (Verz ug um Faktor 25 verstärkt dargestellt) und unten die gemessenen Verzüge und Standardabweichungen für verschiedene Bauteilserien, einmal mit Kern mit soll- und einmal mit kompensierter Geometrie jeweils für das Ausgangsbauteil – links - und einmal – rechts – für eines mit reduzierter Wandstärke (aus Projektphase zwei) .